Jakobsweg

Ein kleiner Ausschnitt

Jakobsweg

Vom 01.09.09 - 01.11.09 war ich unterwegs auf dem Jakobsweg. Es war eine sehr intensive Erfahrung mit mir selbst. Ich bin um die 700 km gelaufen und durfte erfahren, wie wenig ich eigentlich zum Leben brauche und wie schön es sein kann, sich an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen! Es war eine hohe körperliche Herausforderung, bei Etappen zwischen 20 und 40 km. Der Weg begann in Sevilla und ging erst mal durch die Extremadura, ca. 300 km Steppe, täglich um die 40 C…

Grund:

Die Liebe, und alles was damit zusammenhängt, war der Grund für meinen Entschluss. Trauer und Schmerz haben mir gezeigt, dass es an mir lag, dass ich das Beste was ich bis zu diesem Zeitpunkt im Leben erleben durfte, verloren hatte! Es war so unendlich Gefühlsintensiv, dass ich es nicht mit meinen anderen Beziehungen vergleichen kann. Als ich sie damals kennenlernte, habe ich fünf Tage vor Freude geheult. Es war so überwältigend!

Als die Beziehung vorbei war, habe ich drei Tage geheult. Während dieser Zeit hatte ich alles was wir geschrieben hatten, ab dem Zeitpunkt, wo es angefangen hatte zu zerbrechen, noch einmal gelesen - ja, und „ich“ habe das Gefühl zerstört…. Wegen nichts!

Ich wollte lernen, alleine zu sein, meine Gedanken abzuschalten, die Welt und vor allem die Menschen so zu akzeptieren wie sie sind - im Besonderen die, die das Gefühl Liebe in mir auslösen! Denn das konnte ich bei ihr nicht und ebenfalls noch bei keiner anderen!

Erlebnisse und Erfahrungen

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Vor dem Weg:

Noch bevor ich mich entschlossen hatte den Jakobsweg zu laufen, zeigte sich die Richtung meiner Begegnungen und Erlebnisse. Liebe, Beziehung und Sexualität, der Hauptbereich, meiner ganzen Probleme!

Liebe:

Ich durfte vor dem Weg erleben was Liebe bedeutet und wie es ist, wenn die Liebe von Tag zu Tag stärker wird, welche Ausmaße Liebe erreichen kann und wie zerbrechlich sie ist!

Vor dieser Zeit dachte ich immer, das verliebt sein ist nur der Anfang von Liebe und wird sich irgendwann auflösen und etwas Neues entsteht, wahre Liebe! Naja, dahin bin ich nie gekommen. Ich habe versucht Liebe, dieses Gefühl, für mich zu definieren und es für mich zu verstehen! Die einzelnen Definitionen haben sich für mich immer besser angefühlt und doch hatten sie nichts mit der Realität zu tun! Denn egal wie sehr sich mein Kopf anstrengt Gefühle zu verstehen, es sind Gefühle, sie lassen sich nur fühlen! Zuvor habe ich immer die einzelnen Gefühle versucht zu definieren, doch egal wie viele Definitionen ich für die einzelnen Nuancen dieses Gefühls aufstelle, es gibt nur ein Gefühl, das sich von Moment zu Moment verändert. Egal welche Definition ich wähle, es ist alles Liebe. Ohne Liebe könnte ich nicht traurig sein, ohne Liebe nicht eifersüchtig, ohne Liebe nicht hassen…..

Liebe ist und gibt das äußere Geschehen, im Inneren wieder!

Doch der Kopf kann und wird es nie begreifen!

Daher mußte jede meiner Beziehungen ab dem Moment scheitern, wo mein Kopf versucht hat, die Liebe zu regeln ... Gefühle lassen sich nicht regeln, nur fühlen und annehmen! Es ist immer das gleiche Gefühl, das auf das was passiert reagiert!

Beziehungen:

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All meine Paar-Beziehungen scheiterten an dem fehlenden Verständnis, dass jeder Mensch das tun muß, was er für richtig hält. Ich konnte nicht akzeptieren, dass jeder Mensch frei und selbst für sein Leben verantwortlich ist! Ich habe immer versucht meinen Partnerinnen das aufzuerlegen, was ich für richtig hielt. Ich habe oft mit aller Kraft die ich aufbringen konnte versucht, Menschen die ich geliebt habe, zu verändern, dazu zu bewegen das zu tun, was ich sage! Doch es mußte erst so sehr weh tun, damit ich realisiert habe, dass dominantes und bestimmendes Verhalten, basierend auf der festen Überzeugung, ich habe Recht, nur zu dem Verlust der Menschen führen konnte die ich liebe!

Sexualität:

Meine ersten Erfahrungen mit der Sexualität hatte ich mit sechs Jahren. Es war nicht gewaltsam, dennoch war es viel zu früh. Dieses Thema wurde dadurch für mich zu einem Tabuthema über das man nicht spricht - mit der großen Unsicherheit, immer alles falsch zu machen!

Die ersten Tage:

Ohne dass ich es wußte, war dieser Teil des Jakobsweges genau das was ich wollte und wie ich es mir vorgestellt hatte. Mir begegneten ein paar Radfahrer, ansonsten lief ich die erste Zeit fast alleine. Mit mir auf dem Weg waren lediglich zwei weitere Pilger zu Fuß unterwegs. Wir trafen uns zwar jeden Abend, doch es war mir trotz allem wichtig, die Etappen alleine zu laufen. Die ersten beiden Tage waren sehr hart. Da ich mich erst 14 Tage zuvor dazu entschieden hatte den Weg zu gehen, hatte ich kaum Zeit, mich darauf vorzubereiten. Außer jeden zweiten Tag joggen und hin und wieder mal schwimmen gehen, war ich absolut unvorbereitet!

Die ersten Tage lag mein Wasserverbrauch bei ungefähr fünf Litern pro 20 Kilometer. Am vierten oder fünften Tag gab es während der ganzen Etappe (30 km) keine Möglichkeit, meinen Wasservorrat aufzufüllen. Nach 25km war mein Wasser alle. Zum Glück hatte ich eine Strasse gekreuzt. Ich hielt einen LKW-Fahrer an, der mir dann eine halbe Flasche Wasser und eine Dose Cola geschenkt hatte. Ich habe mich noch nie über irgendein Geschenk so sehr gefreut, wie über diese beiden Sachen. Es war ein faszinierende Erfahrung, mich über so etwas so unglaublich riesig zu freuen. Und doch war auch irgendwo mein Verstand beteiligt - es war eine Cola Light. Einen ganz kurzen Moment dachte ich: warum light? Hätte gerne Zucker gehabt! Ja, so ist der Kopf… Wie bescheuert ist das denn? Die Unzufriedenheit mit dem was ist… die Unzufriedenheit des Verstandes!

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Die Sache mit dem "light" ist mir erst wieder auf Teneriffa eingefallen, über zwei Monate später!

Dies war die erste geniale Gefühlserfahrung des Weges!

Nach diesem Tag hat sich mein Körper völlig automatisch, ohne etwas zu tun, auf einen Wasserverbrauch von weniger als zwei Liter pro 20 km eingestellt!

Ich habe viel zu lange nicht daran gedacht, was mein Körper leistet! Auch er hat Bedürfnisse und sendet Signale!

Kai

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